C/O Berlin
18.4.2015 — 14.6.2015
Stammeshäuptlinge und -könige, Familienporträts, archaische Szenen in der freien Natur und idealisierte Krieger – Klischees und Stereotype, von westlichen Vorstellungen getragene Darstellungen eines exotischen Afrikas. Der neugierige Blick auf den afrikanischen Kontinent wurde mit dem Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert auch einem Publikum fern der Kolonien ermöglicht.
Distanz und Begehren: Begegnungen mit dem afrikanischen Archiv versammelt Vintage Porträts und Figurenstudien, historische Alben und Bücher sowie Postkarten und cartes de visite, die im südlichen Afrika in den 1870er Jahren bis ins frühe 20. Jahrhundert entstanden sind. Außergewöhnlich in ihrer Vielfalt und Gestaltung, offenbaren diese Bilder sowohl die vorherrschenden ideologischen Rahmenbedingungen im südlichen Afrika der Kolonialzeit als auch die herausragenden Fähigkeiten der frühen Fotograf*innen dieser Region.
Distanz und Begehren, kuratiert von Tamar Garb, wurde 2013 zum ersten Mal in The Walther Collection's Austellungsräumen in Neu-Ulm gezeigt.
Im Dialog mit Foto- und Videoarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen – darunter Candice Breitz, Santu Mofokeng, Zanele Muholi und Samuel Fosso – ergeben sich neue Perspektiven auf das historische Archiv afrikanischer Fotografien, dessen poetische und politische Dimensionen, seine mannigfaltigen Geschichten und sich wandelnden Bedeutungen. Auf kritische Weise thematisiert die Ausstellung die Politiken des Kolonialismus und die komplexen Fragen von Gender, Rasse und Identität, die sich in diesen frühen Fotografien niederschlagen.
Distanz und Begehren präsentiert das afrikanische Archiv – im breiten Sinn verstanden als Ansammlung von Repräsentationen, Bildern und Objekten – gleichzeitig als Ausgangspunkt für zeitgenössische kreative und politische Auseinandersetzung. Dabei bildet die grundsätzliche Wandelbarkeit von Bedeutung einen Kernpunkt der Untersuchung. Ausgehend von den außergewöhnlichen Sammlungsbeständen von The Walther Collection an historischer afrikanischer Fotografie zeigt die Ausstellung, wie Bilder von Afrikanern durch deren Entstehungs- und Verbreitungskontexte bestimmt werden. Was in einem Fall als ausgrenzendes Stereotyp oder erniedrigende Typisierung fungiert – der idealisierte Krieger, der edle Wilde, die scheue Schöne – kann in einem anderen Fall das Material für eine ikonoklastische Überarbeitung liefern. Was in einer bestimmten Zeit als ethnographische Studie oder Mittel erzwungener Kontrolle verstanden wird, kann zu einer anderen Zeit den Grundstein für eine melancholische Re-Inszenierung oder eine satirische Performance bilden.
Aufbauend auf den ausgewählten Bildern und Werkgruppen aus The Walther Collection's Beständen richtet Distanz und Begehren die Aufmerksamkeit auf die bildnerischen Strategien der Fotograf*innen und die Kontexte, in denen die Bilder damals zirkulierten und heute gesehen werden. Das Zusammenbringen historischer Bilder mit zeitgenössischen Foto- und Videoarbeiten, die sich mit den Konventionen, Posen, Geisteshaltungen sowie der Form- und Bildsprache der Vergangenheit auseinandersetzen, erlaubt eine Untersuchung der Parameter, die rassifiziertes Denken stützten und die Repräsentation afrikanischer Körper beeinflusst haben. Während zeitgenössische kritische Praktiken Haltungen der Vergangenheit beleuchten, entlarvt eine genaue Untersuchung historischer Fotos die Wirkung dieses Archivs auf die zeitgenössische visuelle Kultur Afrikas.
C/O Berlin ist eine gemeinnützige Stiftung, die ein kulturelles Programm von internationalem Rang präsentiert. Gegründet wurde die Organisation im Jahr 2000 von dem Fotografen Stephan Erfurt, dem Designer Marc Naroska und dem Architekten Ingo Pott. Das Ausstellungshaus für Fotografie und visuelle Medien zeigt Werke renommierter Künstler*innen, fördert Nachwuchstalente und begleitet Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf ihren Entdeckungsreisen durch unsere Bildkultur.
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