9.6.2013 — 9.6.2014
Distanz und Begehren: Begegnungen mit dem afrikanischen Archiv, kuratiert von Tamar Garb, wirft einen Blick auf die Geschichte der Fotografie in Afrika und präsentiert Porträtfotografien, cartes de visite, Postkarten, Alben und Bücher, die vom späten 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert im südlichen und östlichen Afrika entstanden sind. Den historischen Aufnahmen sind Foto- und Videoarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen gegenübergestellt, die sich kritisch mit diesem Archiv, dessen Motiven, Stereotypen und Gebrauchsweisen auseinandersetzen.
Die Ausstellung eröffnet neue Perspektiven auf das Erbe anthropologischer und ethnografischer Bilder und überdenkt das Archiv historischer Aufnahmen, dessen poetische und politische Dimensionen, mannigfaltige Geschichten und sich wandelnde Bedeutungen jenseits etablierter Gegensätze von aktiv–passiv oder mächtig–ohnmächtig.
Dieser Teil von Distanz und Begehren legt einen Schwerpunkt auf zeitgenössische Foto- und Videoarbeiten von afrikanischen und afro-amerikanischen Künstler*innen, die sich mit Archiven und historischen Bildkonzepten auseinandersetzen. "Zeitgenössische Rekonfigurationen" untersucht, wie stereotype oder ethnografische Bildvorstellungen der Vergangenheit in heutiger Zeit das Material für kritische und respektlose Überarbeitungen, satirische Performances oder elegische Reenactments liefern können. Zu sehen sind Arbeiten von Philip Kwame Apagya, Jodi Bieber, Sammy Baloji, Candice Breitz, Kudzanai Chiurai, Samuel Fosso, David Goldblatt, Zwelethu Mthethwa, Zanele Muholi, Sabelo Mlangeni, Andrew Putter, Jo Ractliffe, Berni Searle, Guy Tilim, Carrie Mae Weems und Sue Williamson.
Die Gegenüberstellung von Santu Mofokengs The Black Photo Album / Look at Me: 1890-1950 und Alfred Martin Duggan-Cronins The Bantu Tribes of South Africa vermittelt einleitend ein Verständnis für die doppelte Bedeutung des Archivs als physischen Aufbewahrungsort von Dokumenten einerseits und ideelle Ansammlung unterschiedlicher Repräsentationsformen andererseits. Duggan-Cronins Studie der Bantu-Stämme ist bekannt und zugleich umstritten für seinen Versuch ein ethnografisch-romantisierendes Bild der afrikanischen Kultur aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz dazu stellen die Studioporträts einer selbstbewussten Mittelschicht, die Santu Mofokeng gesammelt hat, genau dieses Bild, das die Vorstellung von der afrikanischen Bevölkerung bis heute prägt, in Frage.
Den Eckpfeiler von Distanz und Begehren bildet die Präsentation einer umfangreichen Auswahl von Vintage-Porträts, Büchern, Alben, Postkarten und cartes de visite, die in den 1870er Jahren bis ins frühe 20. Jahrhundert entstanden sind.
Außergewöhnlich in ihrer Vielfalt und Gestaltung, werden anhand dieser Fotografien sowohl die vorherrschenden ideologischen Rahmenbedingungen im südlichen Afrika während der Kolonialzeit als auch die herausragenden Fähigkeiten der frühen Fotograf*innen dieser Region sichtbar. Die Ausstellung im Grünen Haus thematisiert auf kritische Weise die Politiken des Kolonialismus, deren Niederschlag in der Darstellung von Menschen und die Rolle der Fotografie bei der Aushandlung komplexer Fragen von Gender, Rasse und Identität.
Weitere Informationen und Texte zur Ausstellung finden Sie in dieser Broschüre.