Der gestrige International Transgender Day of Visibility findet jährlich am 31. März statt, um Transgender-Menschen zu würdigen und zu feiern. Der Begriff Transgender setzt sich aus dem Lateinischen trans (jenseits) und dem Englischen gender (soziales Geschlecht) zusammen. Er beschreibt damit Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem biologischen sowie sozialen Geschlecht, welches ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, identifizieren. Die Sensibilisierung und Sichtbarmachung der weltweiten Diskriminierung von Transgender-Menschen ist bis zum heutigen Tag notwendig.
Künstlerische Ausdrucksformen, die sich Themen der Diversität widmen, müssen als effektive alternative Stimmen betrachtet und genutzt werden, um auf die Rechte von Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Transsexual, Queer und Intersex Life (LGBTQI) aufmerksam zu machen. Eine dieser Stimmen ist jene von Sabelo Mlangeni. Der 1980 in Südafrika geborene Fotograf beschreibt seine Arbeitsweise wie folgt: "When I work I'm always mindful of the stereotyping that South Africa — and Africa in general — is often subject to in art and the media. […] I try to bring another aspect to my country and my continent, by portraying the outsider, those people who aren't usually given a voice."
Am 20. März lancierte die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) die 13. Ausgabe ihres Berichts State-Sponsored Homophobia. Dieser fasst Daten zu LGBTQI-Rechten weltweit zusammen und versteht sich als Werkzeug im Kampf um Gleichstellung und Inklusion. Dessen Autor Lucas Ramón Mendos betont, dass in 70 UN-Mitgliedsstaaten sexuelle Handlungen zwischen Menschen des gleichen biologischen Geschlechts kriminalisiert werden. In 44 dieser Staaten wird in der Anwendung der Gesetze das soziale Geschlecht der Betroffenen nicht berücksichtigt. Davon erheben 6 Staaten auf die genannten Handlungen die Todesstrafe. In weiteren 5 Staaten ist diese Strafmaßnahme zumindest technisch immer noch möglich. Bis heute wird in 32 Staaten die Freiheit der Äußerung von Themen bezüglich der Geschlechteridentität und der sexuellen Orientierung gesetzlich eingeschränkt. Erst letzte Woche beschloss das Sultanat Brunei eine drastische Gesetzesänderung: auf Grundlage der Scharia droht Homosexuellen die Todesstrafe durch Steinigung.
Aus dem Bericht der ILGA geht hervor, dass die Lage von LGBTQI-Rechten auf dem afrikanischen Kontinent besonders prekär ist. Offiziell gilt Südafrika als liberalstes Land Afrikas: Homosexuelle haben dort per Verfassung die gleichen Grundrechte, seit 2006 ist auch die gleichgeschlechtliche Ehe legal. Dieser Legalisierungsprozess führte jedoch nicht automatisch zu sozialer Akzeptanz und Integration. Südafrikanische LGBTQI-Menschen sind immer noch transphober und homophober Gewalt sowie sozialer Stigmatisierung ausgesetzt.
Mlangeni thematisiert in seinen Werken die Unsichtbarkeit bzw. Sichtbarkeit von Minderheiten, die Politik des Blicks, sowie neue Ideen von Gemeinschaft und Nationalität. Dabei nutzt er das Medium der Fotografie zur Repräsentation komplexer menschlicher Erfahrungen. Er kritisiert, dass viele Afrikaner*innen die Existenz der LGBTQI-Gemeinschaft negieren oder diese als nicht-Afrikanisch definieren.
2016 zeigte The Walther Collection in der Ausstellung Close to Home: New Photography from Africa sechs Schwarzweißfotografien von Mlangenis Serie Black Men in Dress. Die Aufnahmen entstanden 2010 und 2011 während der Schwulen- und Lesbenparade Pride in Johannesburg und Soweto. Die jährlich in verschiedenen Ländern weltweit stattfindende Veranstaltung fordert Freiheit, Individualität sowie fundamentale Grundrechte für alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechteridentifikation und sexuellen Orientierung.
Die Serie erinnert den Künstler an seine eigene Kindheit: "Most communities had what we call 'uSis'bhuti'. This is a term used to describe a boy who behaves like a girl. Why then do we hate these boys when they have grown up to be men who dress as women? Why do we turn and call them names, pretending that we've never seen it?" Dabei widerspricht gerade die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen für den Fotografen posieren der in vielen afrikanischen Ländern weit verbreiteten Meinung, dass Homosexualität nicht-Afrikanisch, sondern ein Import aus dem Westen sei. Der Künstler konfrontiert nicht nur seine eigene Gesellschaft, sondern auch die westliche mit dem vorherrschenden, stereotypisierten Image afrikanischer Identität. Die eindrücklichen Porträts zeugen von Stolz, Mut, Schönheit und Stil. Die Kuratorin Hansi Momodu-Gordon beschreibt die Serie als Erinnerung "of the possibility of beauty in the midst of the mundane, and of gender identities that refuse to fall neatly one way or the other." Die Wahl des Mediums der Schwarzweißfotografie führt zur Reduktion der grellen Farben und Kostüme, die allgemein mit Bildern der Pride assoziiert werden. Der Künstler verschiebt dadurch den Fokus auf die starken, oft eine S-Linie formenden Posen seiner Modelle sowie auf das Ziel dieser Veranstaltung: Die Umschreibung des Outsiders in einen Insider.
– Livia Wermuth